Literatur und Naturwissenschaft: Ethik, Ästhetik, Kognition
Was haben fiktionale Literatur und faktenoriertierte Naturwissenschaft miteinander zu tun? Zwar kennt man aus der Schule Dürrenmatts Tragikomödie 'Die Physiker' oder Brechts 'Das Leben des Galilei', in denen die Verantwortung des Wissenschaftlers thematisiert wird, kaum bekannt ist aber, dass Johannes Kepler eine märchenhafte Traumerzählung über eine Reise zum Mond geschrieben hat, um mit diesem ersten Science Fiction das kopernikanische Weltsystem zu begründen.
In diesem Kurs wollen wir die Wechselwirkungen von Literatur und Naturwissenschaft studieren, die nicht nur Fragen der Ethik aufwerfen, sondern auch der Erkenntnistheorie und der Ästhetik. Anhand von klassischen Texten (z.B. Haller, Büchner, Kleist, Benn), aktuellen Romanen (z.B. Thomas Lehr, '42'), Theaterstücken (z.B. Michael Frayn 'Copenhagen'), Gedichten (z.B. Durs Grünbein, 'Cyrano') und literarischen Essays (z.B. Michael Hampe, 'Tunguska') wollen wir die folgenden Fragen diskutieren, die nur auf den ersten Blick eine selbstverständliche Antwort zu haben scheinen. Vorträge und angegebene Literatur sind nur Vorschläge; Die endgültige Auswahl wird mit den Teilnehmenden nach ihren Wünschen in einer Vorbesprechung festgelegt.
C. Physica und Poetica: das Schöne und das Wahre (Ästhetik: Darstellung von Wissen)
Müssen die Naturwissenschaften poetisiert werden?
Welche Rolle spielen naturwissenschaftliche Erkenntnisse in Literatur?
Sind Wissenschaftsromane und Wissenschaftslyrik eine eigene Gattung?
Wie kommuniziert man Wissenschaft?
Ist Rhetorik bei wissenschaftlichen Aufsätzen und Vorträgen notwendig?
Mögliche Vorträge:
C1: Referat über Raoul Schrotts 'Erste Erde. Epos'
C1: Referat über Goethes Metamorphosen-Schriften oder Novalis 'Die Lehrlinge zu Sais'
C2: Poetische und formale Sprache: Grundlagen der Ästhetik und ästhetischer Verfahren
C3: Performative Inszenierung von Wissenschaft: Grundlagen einer Rhetorik des Wissens
C4: Literarische Formen des Wissens: Lehrgedichte (von Lukrez bis Poschmann), Epos (von Homer bis Schrott), Kosmogonien (von Hesiod bis Humboldt und Poe)
A. Fakt und Fiktion: Dialog einer epistemischen Gemeinschaft (Grundlage von Wissen)
Was ist (alles) Literatur? Was macht Literaturwissenschaft?
Was gehört (alles) zur Natur? Wieso soll Naturwissenschaft objektiv sein?
Gibt es Freiheit und Geschichtlichkeit in der Natur?
Wie gelangt Wissen in Literatur? Was ist literarisch in Wissen?
Mögliche Vorträge:
A1: Referat über Michael Hampe, 'Tunguska'
A2: Grundlagen der Literaturwissenschaft
A3: Grundlagen der Naturwissenschaft
A4: Zahl und Erzählung: Fiktionales und Faktuales Erzählen (Grundlagen der Narratologie)
D. Reflexion und Brechung: Erkennen und Handeln (Ethik: Folgen von Wissen)
Was ist Heilig in der Wissenschaft?
Anything goes? Gibt es pragmatische Voraussetzungen methodischen Handelns?
Gibt es Moral in den Wissenschaften? Wie begründet man eine Wissenschaftsethik?
Mögliche Vorträge:
D1: Referat über Michael Frayns 'Copenhagen'
D3: Anthropologische Risiken: Büchners 'Woyzeck'
D2: Täuschende Dichter und lügende Wissenschaftler: Grundlagen einer Ethik der Wissenschaften
D3: Erkenntnis und Interesse: Grundlagen einer Diskursethik
B. Metapher und Modell: die Rolle von Sprache in Erkenntnis (Kognition: Weisen von Wissen)
Was ist Wissen ?
Was weiß Literatur? Was wollen wir mit Literatur erkennen?
Wo ist die Grenze des naturwissenschaftlichen Wissens? Lügt die Physik?
Mögliche Vorträge:
B1: Referat über Thomas Lehrs '42'
B2: Zeichen und Bedeutung: Grundlagen der Semiotik
B3: Gehirn und Gedicht: Grundlagen der Kognitionswissenschaft und der Epistemologie
B4: Metaphern und Naturwissenschaft (Kleist und Bacon)
B5: Wissensordnungen und Weltbilder: Poetologien des Wissens